kurz vor schwarz

Aus

vernebeltem Halbwissen
vergilbt-verblassten Freunden
vertrockneter Hoffnung
und grauem Weltenfrost

zerrissenen Buchstaben
heiseren Tiraden
tiefer Schockstarre
und tödlichen Herzviren

formt sich ein Herbst, der dunkler ist.

Denn mit den Zugvögeln flog uns auch die Menschlichkeit davon.

Und gegen die Kälte, die dieser Winter bringen wird,
hilft keine Wolle, kein Bett.

Europa kühlt aus, wie Blumen.

Hoffentich sind wir ausdauernd.
Und hoffentlich gewinnt das Licht.

Lichtertöne

Der letzte Frost ist kalt wie je.
Der gräm’ge Winterabendgeist,
dem Lenz den Weg zum Friedhof weist,
frisst Morgentau aus Schnee.

Die letzte Nacht ist still wie je.
Der finst’ren Dunkeleinsamkeit,
der niemand eine Träne weint,
verwelkt das Seelenweh.

Der erste Morgen lacht wie nie.
Ein Rausch aus milden Tönen
komponiert mit purem Schönen
die Hoffnungssinfonie.

————–

 

Goldgelb

Goldgelb verzweigt sich ein Apfelsaftstrudel
in meinem 1 Euro teuren Ikea-Glas,
sodass ich durch Gewalt eines blaugelben Strohhalms
für Sekunden meine wirbelnden Gedanken vergaß.

Goldgelb verzweigen sich des Frühjunis Strahlen,
denn Möchtegern-Sturmwolken schreien bereits,
diese alles Licht zerreißenden Gebilde
sind scheinbare Vorboten eines Totengeleits,

denn goldgelb verzweigt sich auch das Ährenmeer
in langsam erblassender Weizengischt,
noch träumt jeder Halm, wähnt honigwarme Süße,
nicht wissend: Der Mähdrescher verfehlt ihn nicht.

Es scheint ganz so, als ob dieses goldgelbe Spiel
eine vom Himmel geschenkte Frist nur ist,
die nicht lang andauert und dafür gedacht,
dass man im Dunkeln dies Licht nicht vergisst.

Kinderlicht

Herbstgrau zieht mir in die Kleider,

Deichwind weht vom Flusse her.

Bange Kälte zischt: Geh weg hier!

Die Dorfstraße ist menschenleer.

—–

Doch während Nebel Reigen tanzen

und Tropfen sich vereinen,

die Natur ihr Nachtlied singt –

seh’ ich am Weg die Meinen.

—–

Zwei Zwerge, hüpfend, farbenfroh

in lustig-bunten Stiefeln,

mit roten Wangen, warmer Haut,

die kleinen Nasen triefen.

—–

Ich trage keine Angst in mir,

ins Dunkle muss ich nicht,

denn in jeder Hand halt ich fest

ein kleines Weihnachtslicht.