Lichtertöne

Der letzte Frost ist kalt wie je.
Der gräm’ge Winterabendgeist,
dem Lenz den Weg zum Friedhof weist,
frisst Morgentau aus Schnee.

Die letzte Nacht ist still wie je.
Der finst’ren Dunkeleinsamkeit,
der niemand eine Träne weint,
verwelkt das Seelenweh.

Der erste Morgen lacht wie nie.
Ein Rausch aus milden Tönen
komponiert mit purem Schönen
die Hoffnungssinfonie.

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Neues Layout und neuer Wind im Gedankengarten

Hallo liebe Leser,

nach über einem Jahr dachte ich, es ist Zeit für Veränderungen. Die stehen mir gerade in allen Lebensbereichen an, deshalb dachte ich, ein bisschen Frische und Farbe könne nicht schaden. Aber natürlich interessiert mich eure Meinung zum neuen Layout des Blogs:

In nächster Zukunft wird es wieder einige Gedichte geben. Die Zahl nimmt stetig zu, was mich daran denken lässt, ein paar dieser „Blumen“ in einem Band zu veröffentlichen. Noch ist die Idee unreif, genau so wie einige Texte, aber ich hoffe, Ende des Jahres 2015 eine ISBN-Nr. online stellen zu können.

Ich wünsche all meinen Lesern einen sonnentrunkenen Frühlingstag und sende euch allen ein riesiges Danke für eure Besuche hier!

Eure Kathamané

Ostergedanke

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: Bin ich ein Falke,
ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke

Frohe Ostern, ihr Blumen alle.

Kathamané

Offene Fenster

Du kommst durch’s offene Fenster.
Mit einer einzigen leichten, fließenden Bewegung stehst du vor mir.
Ich erwarte dich schon.
Glücktrunken beobachte ich, wie du dich umschaust.
Dann setzen wir uns an den Küchentisch,
ich trinke Kaffee, du trinkst Wasser.
Dann gehst du auf und ab,
während ich deinen Duft
und deine Wärme in mich aufnehme.
Schließlich hälst du inne –
und sagst: Danke für’s Warten.
Ich sage: Danke für’s Kommen. Und:
Schön, dass du da bist, Frühling.

In memento an einen Frühling und an einen Großvater

Wenn die Zeit die Blätter fallen lässt,
Und Blumenblüten still verkummern,
Wenn alles Licht in Nebeldunst versinkt
Und Tiere stumm in Höhlen schlummern,

Wenn Feld und Heide leere harren,
Und Vögel flügelflatternd fliehen,
Wenn selbst der Regen lustlos plätschert,
Mir die Gedanken sich entziehen,

Wenn eine Träne, schwer und müßig,
Mir die Sicht und Hoffnung trübt,
Wenn die Seele, triefend, traurig,
Seufzend sich ins Schicksal fügt,

Dann denk ich, was, wenn’s Frühling wär,
Lichtdurchflutet und voller Wärme.
Ein Tag im Garten, nur wir beide,
Du bist alt, ich klein. Ach gerne.

Wenn ich dies Lied am Klavier spiel’,
Dann spiel’ ich’s nur für dich.
Ich weiß, du hörst es, lächelst weise.
Du bist mein Dur und moll bin ich.

 

Vorfrühling

Heute sende ich eine kleine Einstimmung auf die wohl freundlichste Jahreszeit, die bereits im Anmarsch ist. In Medina scheint die Sonne, das Thermometer zeigt stolze 21 Grad an, meine kleinen Sterne tragen heute keine Anoraks. Sollte es tatsächlich schon so weit sein? Ist der Frühling schon so nah?
Die Bienen wagen sich jedenfalls mutig hervor, überall brummt und summt es, die Armen, noch müssen sie hungern. Die Blüten schlafen tief in kahlen Ästen und werden wohl erst allmählich durch die kecken Sonnenstrahlen geweckt.
Auch die Menschen regen und strecken sich, überall putzt und lacht es. Es ist doch jedesmal eine fantastische Erfahrung, wenn der Winter in die Knie geht vor dem Leben, vor dem Wunder. Jedes Jahr erleben wir es und fühlen uns doch wie kleine Kinder am Weihnachtsabend. Es ist wohl so eingerichtet vom lieben Gott, dass wir im Frühling das Leben in unseren Adern fließen spüren, dass wir neu geboren werden, dass wir der Sonne entgegenblicken. Dass wir den Winter in uns gekehrt, still schweigend und wartend vorüberziehen lassen. Und dass wir uns schon am ersten echten Frühlingstag nicht mehr vorstellen können, wie es all die grauen Tage lang gewesen ist… Was wären wir schließlich ohne all das Gewimmel und Gesumm, ohne Licht und grünende Wiesen? Unsere Seelen würden eingehen, unsere Münder würden verstummen und unsere Körper in ihren Bewegungen erstarren. Lasst ihn uns also feiern, den Lebensretter, den Seelendoktor, den Bunten, Duftenden, der da naht!

Vorfrühling

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.


– Rainer Maria Rilke –