Honig

Ich will die Seele an dir laben,
an deinem Licht sie stillen,
sie mit Süße ganz auffüllen –
wie Bienen ihre Waben.

Mit dir kann ich nur fliegen,
und Abendröte kosten,
Kinderherzen trösten und
mich in Frieden wiegen.

So will und muss ich’s hüten,
dies eine leise Glück,
das wir mit Fleiß bestäuben,
wie Bienen Sommerblüten.

Die letzte Glut

Zu zweit allein, zusammen einsam –
so leben sie wie Zinnsoldaten
angestellt im Dienst der Zeitlosigkeit.
In ihren Gedankenspielen
kreuzen Ideen sich nicht mehr und Wege.

Im Nebel dieser Tage
ist ein jeder leere Hülle
und nach außen hin wie Stein.

Wenn sie sich doch nur drehen könnten,
in diesen Stunden ohne Licht,
sie würde ihr Ohr an seine Eisenbrust legen
und nach seinem furchtbar leisen Herzschlag lauschen
und dann seinen Panzer küssen.

Ihr glühender Kuss würde ein kleines Loch
in seine Jahrzehnte alte Stumpfheit schneiden,
durch das ihr Herz das seine rasch
aufwecken und beatmen könnte.

Mit letzter Kraft und letzter Glut
hofft sie es zu schaffen.
Denn ohne ihn wird ihr immer kälter,
und sie will nicht – jetzt noch nicht –
in sich lebendig erfrieren.

 

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Spät nachts (Mascha Kaléko)

(aus gegebenem Anlass)

Jetzt ruhn auch schon die letzten Großstadthäuser
Im Tanzpalast ist die Musik verstummt
Bis auf den Boy, der einen Schlager summt.
Und hinter Schenkentüren wird es leiser

Es schläft der Lärm der Autos und Maschinen,
Und blasse Kinder träumen still vom Glück.
Ein Ehepaar kehrt stumm vom Fest zurück,
Die dürren Schatten zittern auf Gardinen.

Ein Omnibus durchrattert tote Straßen.
Auf kalter Parkbank schnarcht ein Vagabund.
Durch dunkle Tore irrt ein fremder Hund
Und weint um Menschen, die ihn blind vergaßen.

In schwarzen Fetzen hängt die Nacht zerrissen,
Und wer ein Bett hat, ging schon längst zur Ruh.
Jetzt fallen selbst dem Mond die Augen zu …
Nur Kranke stöhnen wach in ihren Kissen.

Es ist so still, als könnte nichts geschehen.
Jetzt schweigt des Tages Lied vom Kampf ums Brot.
– Nur irgendwo geht einer in den Tod.
Und morgen wird es in der Zeitung stehen …

Jetzt, da es Abend ist

Jetzt, da die Sonne schläft,
lösen tausende Sterne
die Kinder vom Spielen ab
und ich sinke ein
in ein stilles, sanftes Glück.

Jetzt, da wir nur im Halbdunkel sitzen,
löst dein seliges Lächeln
das Knistern des Ofens ab
und ich sinke ein
in mein Kissen aus Abend.

Jetzt, da sich die Nacht ausstreckt,
löst dein schläfriger Körper
den meinen beim Denken ab
und wir sinken ein
in unsere Einzweisamkeit.

Mondsterben

In dunkelblauer Feentracht
bist du mir nachts erschienen,
in Dunst gehüllt
mit Silberkranz
sah ich dich vor mir knien.

Schweigend nahmst du mich am Arm,
schon schwebt‘ ich über Bäume,
Hand in Hand
mit deinem Licht
im Zauberwald der Träume.

Im Geiste sah ich wie ein Stern
das Gold der Erde zündet,
und wie der Sonne
Diamant
vom neuen Tage kündet.

Da tropft der Morgen schon ins Gras,
der Tau löscht Feuermonde,
während ich
– traumverloren –
segne diese Stunde.

Ode an einen Sommer

Kurz vor Mitternacht

ist plötzlich der Sommer zu Ende –

kein Wind kündigt sein Sterben an

und doch wird er unter

abertausend nassen Kristallen begraben,

die mir das letzte Salz von der Stirn waschen

während ich die Arme ausbreite

und meinen krummen Rücken

und mein staubiges Gesicht

gen Himmel richte

um einen letzten Hauch

von ihm zu atmen

bevor er vergeht.

Jetzt ist es an uns

ein Licht zu entzünden

und ein letztes Lied zu spielen

ihm zu Ehren, diesem Sommer,

den in wenigen Augenblicken

auf heißen Asphalt gespült

zusammen mit meinen Tränen

aus Freude am Leben

die Erde einatmet.

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Apfelbaum

Streich mir mit deinem Lied durch die Haare,
küss mich mit deinem Wort,
umarme mich mit diesem alten Haus
und lass mich nie mehr von hier fort.

Schenk mir ein Kind deiner Liebe,
oder zwei oder drei oder vier,
und wenn wir alt alle Stürme durchlebt,
setz dich auf diese Bank zu mir.

Dann bleiben wir unterm Apfelbaum sitzen
mit schütterem, weißen Haar,
durch das unsere Lieder noch streichen:
in Strophen, die das Leben gebar.

Briefe an Heute

Manchmal fühle ich mich
wie ein zerrissener Brief
mit aufgeweichter und
zerlaufener Tinte.

Wie dieser zerfetzte Brief
trage ich Sätze in mir,
die kraft- und klanglos
im Nichts verwehen.

Sätze, die ich in mancher
einsamen, zu stillen Nacht
zusammenfügte, schmeckte
und doch wieder zerriss.

Doch jede Nacht beugt die Knie
im Angesicht des Tages,
so beuge ich mich ebenfalls
vor dem, der Briefe schickte.

Und wenn Papier zu Staub zerrinnt,
dann werde ich Sein Wort
und sage dir: Hab keine Angst,
ich nehm dich bei mir auf.



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Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf,
und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf,
der mich gesandt hat. (Mt. 10.40)



			
		

Von Spiderman-Eis und Urlaubssehnen

Der Sommer quillt als süßer, warmer Saft aus Himbeeren und Aprikosen.

Die Hitze drückt durch Fensterritzen und blendet jedes Erbsenblatt.

Während der Garten stöhnt und schwitzt

und ich meinen Platz in diesem Sommer suche,

bestelle ich zur Überbrückung meines Urlaubslosigkeitsgegrübels zwei

Kugeln Eis:

Erdbeere für das Sonnenmädchen

und Spiderman-Eis für den Prinzen.

Und plötzlich ist er da, der Sommer, einfach so, auch ohne Urlaub, ohne Strand, und tropft auf heißen, staubigen Dorfstraßenasphalt.

Geblendet von Sonnenstrahlen und an Körper und Seele barfuß erkenne ich:

Sommer ist, wo Eis auf lachender Kinderhaut zerrinnt.

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