Abschied

Ich wollte gar nichts Trauriges schreiben. Doch dann fiel mir Aylan Kurdi ein. Und mit ihm der ganze Rest.

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Unsere Meere werden zu Todesstätten
für kleine Kinder in Rot,
unsere Kunstwerke aus uraltem Stein
zum sicheren Weg in den Tod.

Unsere Cafés werden zum Trauerwall,
an dem wir Blumen ablegen,
unsere Seelen werden zu krüppeligen Höhlen,
die sich bis zum Rand füllen mit Regen.

Unsere Welt wird zum Chaos aus Angst und Macht,
in dem weder Unschuld noch Liebe
bewegen, beleben, überleben werden.
Denn unsere Erde ist eine blutende Wiege.

 

 

 

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Bild: Käthe Kollwitz „Tod, Frau und Kind“, 1910

Herbergssuche reloaded

Ich schau in die Krippe
und seh‘ nur nasse Sachen
von Kindern, die in Wellen starben
und nie mehr in Gesichter lachen.

Ich schau in die Krippe
und sehe nur Entzug:
Entzug der Zeit, des Friedens, der Liebe
– eine Welt aus Lügen und Trug.

Ich schau in die Krippe
und sehe, dass das Kind
auch heute im Stall geboren.
Wo dieses Jahr die Engel nur sind?

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Ursprung des Bildes:
In der Türkei wurde eine Krippe mit Sachen von Flüchtlingskindern, die im Mittelmeer ertranken, „geschmückt“. Den Link zu den Bildern findet ihr hier

 

Briefe an Heute

Manchmal fühle ich mich
wie ein zerrissener Brief
mit aufgeweichter und
zerlaufener Tinte.

Wie dieser zerfetzte Brief
trage ich Sätze in mir,
die kraft- und klanglos
im Nichts verwehen.

Sätze, die ich in mancher
einsamen, zu stillen Nacht
zusammenfügte, schmeckte
und doch wieder zerriss.

Doch jede Nacht beugt die Knie
im Angesicht des Tages,
so beuge ich mich ebenfalls
vor dem, der Briefe schickte.

Und wenn Papier zu Staub zerrinnt,
dann werde ich Sein Wort
und sage dir: Hab keine Angst,
ich nehm dich bei mir auf.



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Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf,
und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf,
der mich gesandt hat. (Mt. 10.40)