Herbergssuche reloaded

Ich schau in die Krippe
und seh‘ nur nasse Sachen
von Kindern, die in Wellen starben
und nie mehr in Gesichter lachen.

Ich schau in die Krippe
und sehe nur Entzug:
Entzug der Zeit, des Friedens, der Liebe
– eine Welt aus Lügen und Trug.

Ich schau in die Krippe
und sehe, dass das Kind
auch heute im Stall geboren.
Wo dieses Jahr die Engel nur sind?

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Ursprung des Bildes:
In der Türkei wurde eine Krippe mit Sachen von Flüchtlingskindern, die im Mittelmeer ertranken, „geschmückt“. Den Link zu den Bildern findet ihr hier

 

Heimweh

Ich bekomme Heimweh, wenn ich weiß, wann ich nach Hause fahren werde.
Das ist eine seltsame Sache, denn man könnte ja auch Heimweh bekommen, wenn „einem nun Mal so ist”. In meinem Fall „ist mir so”, wenn mich von daheim nur noch ein paar Tage trennen.
Ich habe, wenn es warm ist, nie Heimweh, nur wenn die Tage kürzer und die Nächte kälter werden. Das muss mit meinem Geburtstag und dem heimatlichen Advent zusammen hängen, schließlich war diese Zeit für mich als Kind die schönste. Seit diesen Tagen singe ich in jeder Vorweihnachtszeit täglich einmal alle Lieder durch, die ich kenne, nur um sie zu ehren und zu üben, damit ich auch ja keine Strophe vergesse. Das tue ich mit einem kindlichen Fleiß, obwohl ich dem Christkind oder dem Weihnachtsmann schon seit vielen Jahren nichts mehr vortragen muss.
Zu den mir liebsten Gesängen gehören „Sind die Lichter angezündet”, „Tausend Sterne sind ein Dom”, „Es ist ein Ros entspruchen”, „Maria durch ein Dornwald ging” und „Vom Himmel hoch, da komm ich her”. Aber wenn ich ehrlich bin, würde ich die Aufzählung gern weiterführen… Diese Lieder singe ich für mich und für das Kind in mir, das ich mit mir trage auf meinen neuen Wegen. Ich singe sie genau so, wie damals, habe zu den Tönen und Klängen die haargenau gleichen Bilder im Kopf.
Das ist für mich Weihnachten. Die Bilder zu diesen Liedern, die mir die Kindheit geschenkt und meine Seele bewahrt haben.
Auf einem Chorkonzert am Sonntag war ich in der katholischen Kirche in Zomba, nicht weit von meinem Dorf, mit dem Medinaer Chor. Ich saß noch nicht ganz in meiner Bank, als ich die Auftrittsliste bekam. Erster Teilnehmer: Donauschwäbischer Chor „Sonnenblume”. Wir würden erst an siebter Stelle singen. Noch während ich mir Gedanken darüber machte, ob wir während des ersten Beitrags schunkeln würden, begannen die „Sonnenblumen” ganz zart, ganz fein und ganz leicht „Maria durch ein Dornwald ging” zu singen. Beim zweiten Takt war mein Gesicht tränenüberströmt und es schüttelte mich so sehr, dass ich es kaum verbergen konnte, wie sehr mich dieses Lied auf einmal getroffen hat. Mein ganzes Inneres brannte vor Sehnsucht und Heimweh, so plötzlich war mir der Boden unter den Füßen genommen, dass ich micht nicht fangen konnte – erst dann gelang mir ein tiefer Atemzug, als die letzten Töne verklangen.
Was ich nun brauche ist eine katholische Kirche, eine Orgel und ein paar meiner Weihnachtslieder. Und während mich meine musikalische Weihnacht mit sich trägt, werde ich inmitten derer, die ich am liebsten habe, sein.
Ich wünsche all meinen Lesern und Feunden, Bekannten, aber auch allen Unbekannten dieser Welt, dass auch ihnen ein Lied erklingt, dass ihnen die Botschaft der Weihnacht und die Glückseligkeit vergangener Kindheitstage ins Herz zu pflanzen vermag.

Maria durch ein Dornwald ging

Frohe Weihnachten!

Geboren im Advent

Einer Christrose gleich
erblühen zwischen Eiskristallen
im Dezembersonnenlicht
meine Seele und mein Herz.

Denn ich bin ein Adventkind,
eines, das sie erwarteten.
Neugeboren in tiefem Schnee
brachten sie mich heim.

Doch das ist lange her.
Im Juni meines Lebens
halte ich inne nun und still,
so, wie es die Felder tun.

Schaue im Advent auf ein Leben,
das mir in kalter Nacht geschenkt.
In mir trag ich meiner Sommer Licht
und das unschuldige Kind.